Die Diskussion rund um Emissionsreduktionen in der Landwirtschaft nimmt erst gerade Fahrt auf. Diesen Trend erlebt auch die Stiftung Myclimate, wie Kathrin Dellantonio, Geschäftsführerin von Myclimate Schweiz, und Ian Rothwell, Projektleiter Landwirtschaft bei Myclimate, erklären.

Kathrin Dellantonio, wie gross ist die Nachfrage nach Schweizer Klimaprojekten aus dem Landwirtschaftssektor?

Kathrin Dellantonio: Dazu lässt sich sagen, dass wir zwei Trends beobachten. Zum einen wollen Schweizer Firmen vermehrt in Schweizer Klimaprojekte investieren statt in ausländische Projekte. Zum anderen merken wir, dass die Nachfrage nach Projekten im Bereich Natur-basierte Lösungen wie Agroforst oder Humusaufbau vermehrt nachgefragt werden.

[IMG 2]

«Schweizer Firmen wollen in Schweizer Klimaprojekte investieren.»

Kathrin Dellantonio, Myclimate

Und wie gross ist die Nachfrage der LandwirtInnen, bei einem Projekt mitzumachen?

Ian Rothwell: Mit Coop zusammen führten wir ein schweizweites Agroforst-Projekt für Bio-Betriebe innerhalb der Coop-Lieferkette durch. Dabei meldeten sich so viele LandwirtInnen (rund 100 Betriebe), dass wir eine Warteliste mit einem Dutzend Betrieben hatten. Toll ist, dass wir nun ein grosses Nachfolgeprojekt für den ganzen deutschsprachigen Raum anbieten können, bei dem auch die Betriebe der Warteliste mitmachen können.

Beim Humusaufbau handelt es sich eher noch um Pilotprojekte. Beim Migros-Klimaprojekt sind es beispielsweise aktuell rund 15 Betriebe – mit Platz bis rund 30 Betriebe.

Der Aufbau von Humus und, damit verbunden die Sequestrierung von CO2 kann schwierig sein. Wie schätzen Sie das Potenzial der Schweizer Landwirtschaft zur Emissionsreduktion ein?

Rothwell: Böden sind sehr heterogen und ihr Humusgehalt ist stark beeinflusst von der Bodenbeschaffenheit, dem Wetter und der vorherigen Bewirtschaftungsart. Als sehr groben Richtwert gehen wir von 1 Tonne CO2 pro Hektare und Jahr aus, die sequestriert werden kann.

Dieser Aufbau geht langsam vonstatten. Das heisst, das Projekt soll die Betriebe langfristig begleiten, damit diese Massnahmen nachhaltig wirken. Wir sprechen hier von sieben bis zehn Jahren.

Welchen Beitrag erhalte ich als Landwirtin für die CO2-Sequestrierung? Und was geschieht, wenn ich – trotz meinen Bemühungen – keinen Humusaufbau feststellen kann?

Rothwell: Beim Humusaufbau erhalten Sie 100 Franken pro Tonne CO2. Zum ersten Mal ausgezahlt werden Sie nach drei bis sieben Jahren, wenn die zweite Messung stattfindet.

Die erste und zweite Messung ist an die Fruchtfolge angepasst, wobei mit dem Kohlenstoff-Gehalt verglichen wird, der bei Ihnen vor Projektstart im Boden gemessen wurde. Wenn kein Humusaufbau stattgefunden hatte, erhalten Sie diese Beiträge nicht.

[IMG 3]

«Eine Tonne CO2 pro Hektare und Jahr kann sequestriert werden.»

Ian Rothwell, Myclimate

Wir stellen fest, dass das Geld durchaus eine Rolle spielt, dass dieses aber meist reinvestiert wird, um weitere Massnahmen zum Humusaufbau zu ergreifen.

Der eigentliche Gewinn für die Betriebe scheint zu sein, dass die Bodenfruchtbarkeit durch den Humusaufbau zunimmt und die Betriebe erfahren, welche Massnahmen hilfreich sind und welche weniger. Sie lernen, welche Massnahmen helfen, ihre Böden resilienter gegenüber den Wetterextremen zu machen.

Zusammengefasst kann man also sagen, dass die Schweizer Landwirtschaft durchaus bereit ist und auch Potenzial hat, zur Klimaneutralität beizutragen.

AboVideoEine Hand hält einen Plastiksack, gefüllt mit Erde.«Fokus Boden»Landwirt Heinz Brauchli baut Humus im Boden auf und wird mit CO2-Zertifikaten für Klimaschutz belohntDonnerstag, 25. Mai 2023Dellantonio: Grundsätzlich schon. Allerdings kommen wir aktuell gerade weg von diesem Begriff der Klimaneutralität. Das ist unabhängig von der Landwirtschaft und hat vielmehr mit der globalen Bühne zu tun. 

Dort wurde beschlossen, dass sich Firmen nicht mehr länger als klimaneutral ausloben dürfen, wenn sie ihre CO2-Bilanz damit ausgleichen, dass sie beispielsweise in Ostafrika die Anschaffung von effizienteren Kochherden unterstützen. Schliesslich nehmen sie so anderen Ländern die Reduktionen «weg». Auch deswegen wurde in letzter Zeit das Konzept der Kompensation in Frage gestellt und kritisiert.

Neu vergibt man statt dem «Klimaneutral»-Label ein «Impact»-Label. Den Firmen wird also bescheinigt, welche Wirkung (englisch: Impact) sie finanziell zur Unterstützung des Klimaschutzes leisten.

Neben diesen finanziellen Beiträgen an Klimaschutzprojekte begleiten wir den Grossteil der Unternehmen strategisch. Das Ziel ist, dass sie die Emissionen innerhalb des Unternehmens so schnell wie möglich sehr stark reduzieren und so netto Null Emissionen gemäss dem Pariser Klimaschutzabkommen erreichen.

Myclimate
Myclimate wurde 2002 in der Schweiz gegründet. Die Stiftung engagiert sich in der Beratung von Firmen und in der Bildung verschiedener Alterskategorien – immer zum Thema Klimaschutz. Am bekanntesten sind aber wohl die Klimaschutzprojekte, die Myclimate als eine Art Vermittlerin zwischen den Projektbetreiben und denen, die sie finanzieren, unterstützt. Konkret bietet die Stiftung eine Plattform für verschiedenste Projekte, welche mit Partnern durchgeführt werden. Firmen und Privatpersonen, die einen Klimaschutzbeitrag leisten möchten, können diese Projekte finanziell unterstützen.

2022 haben Unternehmen und Privatpersonen weltweit rund 3,8 Millionen Tonnen CO2-Reduktionen in Myclimate-Klimaschutzprojekten ermöglicht. 2'000 Tonnen CO2 wurden dabei in der Schweizer Landwirtschaft eingespart.